Ich bin ein alter weißer Mann. Ich war nicht immer alt, aber ich war immer weiß. Das war keine Wahl, es wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt. Es ist also kein Makel und kein Privileg – ES IST.
Sie kennen mich. Sie begegnen mir auf der Straße und im Supermarkt. Sie haben mir einmal einen Parkplatz weggeschnappt – oder war es umgekehrt? Manchmal grüßen wir uns, aber meistens leider nicht. Ich bin der ältere Mann, der mit seinem kleinen Hund an Ihrem Haus vorbei spazieren geht.
Ich höre die Musik anderer alter weißer Männer von Bach & Beatles bis Zappa & Waits. Ich lese die Bücher anderer alter weißer Männer von Brecht bis Whitman. Und ich liebe die Kunst alter schwarzer Männer, sowohl in der Musik, als auch in der Literatur.
Ich wurde sozialisiert (wie man heutzutage sagt) in einem Land vor dieser Zeit. Ich trat mit 19 Jahren in die SED ein und trat 1986 wieder aus. Ich war in der evangelischen Jugend, verweigerte den Reservedienst, verlor meinen Job, machte Gelegenheitsjobs für die evangelische Kirche, wurde unregelmäßig von zwei Herren im Trenchcoat besucht. Die üblichen Spielereien der Macht. Also nichts was nicht Hunderte / Tausende andere genauso oder schlimmer erlebt hätten. Ich war nicht der Typ, der mit gesenktem Kopf und erhobener Faust durch die Gegend lief. Ich nahm die „Bonzen“ einfach nur beim Wort. Das genügte um sie vorzuführen und sich bei ihnen unbeliebt zu machen.
Wer jung ist und nicht links, hat kein Herz. Wer nicht mehr jung ist und noch links, hat kein Hirn.
Zitat: Unbekannt
Alles klar zur Wende? Mitnichten
Dann 1989 wurde es überraschend „ernst“. Aus unseren Cafèhaus-Parolen wurden Montagsdemos. Die Vorgänge überschlugen sich. Um ehrlich zu sein, hatte ich – wie die meisten – keinen Plan für diesen Fall zur Hand. Jeder musste für sich zusehen, wie er zurechtkam. Das geschah in sehr unterschiedlichem Tempo, wie die explodierende Scheidungsrate jener Zeit beweist.
Konsum, bunte Bilder, Neonreklame, Kredite, Ratenzahlungen, Vertreter und Verkäufer jeder Coleur und Moral versprachen Utopia, Parteienvertreter aller Richtungen erklärten sich zu Heilsbringern und warnten vor den jeweiligen Kontrahenten.
Ein Citröen 2CV mit „Atomkraft Nein Danke“-Aufkleber parkte auf einstmals sozialistischem Rasen. Auch Öko`s sind nur Menschen. Eine „Sieger“-Familie fütterte auf offener Straße ihren Schäferhund mit einem Kotelett. Eine Banane, von einem holländischen LKW an meinen Kopf geworfen, wurde, von einem deftigen Fluch begleitet, postwendend zurück expediert. 10-jährige Jungs verkauften zu Überpreisen Stadtpläne an Mercedes-Familien – die Marktwirtschaft war angekommen. Das sind meine Schnappschüsse aus jener Zeit.
Die erste Belegschaftsversammlung nach der Wende: Arbeitsplatzeinsparungen, Etatkürzungen u.a. – die Begriffe so neu, wie die Angelegenheiten selbst. Die Stimmung war ziemlich gereizt. Dann ein Ruf in irgendeinem westlichen Dialekt: „Ich verbiete mir diese Diskussion, wir leben in einer Demokratie.“ Aha, es bleibt alles neu.
Ich bin im gelobten Land
Endlich, dachte ich, sind wir diese Partei-Mischpoke los. Endlich keine Polit-Schikanen durch Bonzen mehr. Endlich ist die Meinung einer Partei nur noch was sie ist – eine Meinung. Und ich habe das Recht ihnen ungestraft meine Meinung entgegen zu stellen. Ich war angekommen im gelobten Land. Nach anfänglichem AufundAb und HinundHer hatte ich meinen Platz im Neuen gefunden. Ich richtete mich ein, machte mich irgendwann selbstständig und alles war mehr oder weniger in der Ordnung.
Der Vorwurf meiner Tochter, ich würde mich überhaupt nicht um Politik kümmern, wurde mit dem Satz: „Ich habe den Mund aufgemacht, als es noch etwas gekostet hat.“ abgebügelt. Aber nicht wirklich von ihr akzeptiert. (Hatte sie recht, hatte ich meinen Mund nur aufgemacht, weil ich damals jung war?)
Ich konnte mich in diesem Land nicht des Gefühls erwehren, dass jede Demo, jeder Ostermarsch der Althippies und Öko`s im Grunde genommen „Kaffeekränzchen“ war. Blieben sie doch meistens ohne jede Beachtung oder Folgen. Sie verpufften einfach. Nichts ist so alt, als die Zeitung von gestern.
Freiheit und was dann …
Ich hatte eine Art von „Vertrauen“ zur Demokratie entwickelt. In ihr ist nichts so beständig, wie der Wandel. Mal läuft das falsch und mal jenes. Letztendlich war es aber möglich relativ frei und unbehelligt „sein Ding“ zu machen und für sein Kind zu sorgen. Kein Parteienapparat der einen gängelte oder zum „Asozialen“ erklärte, weil man in keinem geregelten (kontrollierbaren) Arbeitsverhältnis stand. Ich genoß nach und nach mehr diesen Zustand der Unabhängigkeit und der Möglichkeiten.
Ich lernte, dass man in einer freien Demokratie eben doch nicht so nicht gern über Politik oder seine Wahlentscheidung sprach. Dass Karl Popper oder Jean Paul Sartre nicht jedermanns „Geschmack“ war – und ich lernte all das zu akzeptieren.
Aber ich lernte auch, dass ich nunmehr in einem Land lebte in dem der Staat tut, als wüsste er nichts über mich und hofft dass ich vor lauter Anträgen und Formularen resigniert aufgebe. Ein Land in dem man fehlende Fähigkeiten und Kompetenzen durch Machtanspruch kompensieren kann. Ein Land in dem Mülltüten besser riechen können, als das was man mir als Lebensmittel verkauft. Ein Land in dem die Müllabfuhr Kunststoffabfälle nur dann kostenlos mitnimmt, wenn sie in einem eigens dafür produzierten Kunststoffsack gestopft wurden. Eine gelbe Mülltonne scheint ungeeignet.
In einem Land in dem sich die Parteien nichts nehmen, wenn es um Pfründe, Vorstandssessel oder Diäten geht. Da unterscheiden sich „Die Linke“ und die CDU/CSU nicht allzusehr. Mehr oder weniger begabt liefern alle Seiten ihre Polit-Show ab und niemand tut dem anderen wirklich weh. Ich dachte mir meinen Teil und war gelegentlich überrascht mal wieder recht behalten zu haben. Mit einem Wort: Alles lief in ruhigen Bahnen.
Etwas ist faul im Staate …
Doch seit einiger Zeit läuft es ziemlich fatal in Deutschland. Der alte Geist der linken Diktatur kehrt zurück und bestimmt zunehmend unser Leben, unsere Sprache, Kultur und Politik. Und wie damals betteln die ersten Opportunisten bereitwillig um Gunst und Steuergelder. Die Linken (die Grünen zähle ich stets dazu) werden wieder lauter, dreister und traditionell aggressiver.
Ernten wir die Früchte westlicher Arroganz nicht auf unsere Warnungen gehört zu haben? Glaubte man die paar Kommunisten schon unter der Fuchtel halten zu können? Wie auch immer …
Für mich ist und war die Linke eine Horde wildgewordener Mauerschießbefehl-Erteiler, Menschenrechts-Abschaffer und Randale-Finanzierer und es gibt bis dato keinen Beweis dafür, dass ich mich irre.
Wie kann es angehen, dass Leute, die Deutschland offen verachten, abschaffen wollen, teilhaben dürfen an der politischen Willensbildung in meinem Land? Leute, für die Demokratie ein erklärtes Unwort ist, sind Teil einer Demokratie? Wie können sie es wagen, sich Volksvertreter zu nennen, wenn sie dieses Volk doch lauthals verachten und abschaffen wollen? Dabei werden sie letztendlich auch vor ihren eigenen Wählern nicht halt machen. Es geht schließlich um die großen, heeren Ziele.
Schon wieder Schluss mit lustig …
Die Grenzöffnung 2015 und Silvester darauf, haben mich abrupt aus meiner Behaglichkeit gerissen. Was oben war, war plötzlich unten und was schwarz war wurde zu weiß erklärt. Man ließ völlig ungeprüft Massen an Menschen in unser Land ohne zu wissen wer sie waren oder worin ihre Pläne bestanden. Zu Silvester in Köln, Hamburg und anderen Städten erhielt ich eine erste Ahnung davon. So etwas konnte nicht zufällig geschehen, so etwas musste man vorher organisieren.
Das eigentlich überraschende war: Von Verständnis für diese Verbrecher war von Politikerseite zu hören, vom Leichtsinn junger Frauen, von Anpassen an die „neuen Mitbürger“. Die berühmte „Armlänge“ von Frau Reker ging durch alle Medien. Ein Land voller Ratlosigkeit, voller Konfusität und Absurdität. Hier wurde eine Demokratie, die in den letzten Jahren wohlleibig und träge geworden war, von einer völlig fremden Lebensweise überrascht. Ich verstand die Welt nicht mehr (der Zustand hält überwiegend bis heute an).
… und es kam noch schlimmer
Der Entschluss mich wieder politisch zu äußern erfolgte dann nach den Ereignissen zum G20-Gipfel in Hamburg. Diese Bilder trafen mich mit voller Wucht. Die Linke hatte dem Staat den Krieg erklärt und der Staat ging in die Knie. Er reagierte unwillig und träge. Nur der Entschlossenheit einzelner Polizeiführer ist es zu verdanken, dass diejenigen, die uns beschützen, sich selbst beschützen konnten. Die Politik versagte total – der damalige regierende Bürgermeister Olaf Scholz wurde später „strafversetzt“ und ist heute Finanzminister des Bundes.
Statt Dank und Lob erntete die Polizei – wie schon Silvester 2015 – Schelte vom linken Flügel der Politik. Von Polizeigewalt war von linker Seite die Rede, die Presse übte sich zu Teilen im Polizeibashing und es gab diverse Anzeigen gegen Polizisten. Unfassbar für mich. Gewaltausübende Linksradikale, Brandstifter und Staatsfeinde wurden von Bundestagsabgeordneten als „Aktivisten“ gefeiert. Vandalisten, die bereit waren Polizisten mit Gehwegplatten zu töten, waren ganz offen und ungestraft die großen Helden der Linken. Bis heute glorifiziert das „Neues Deutschland“ (wieso gibt es dieses Schmierblatt noch?) diese Brandstifter, Körperverletzer als „Gipfelgegner“ und „Opfer von Polizeigewalt“. Ja, Gipfelgegner waren auch in Hamburg unterwegs. Aber sie haben auf demokratische Weise ihren Unwillen kundgetan. Für den „Schwarzen Block“ waren sie nur etwas wert, wenn man ihre Reihen als Schutzschild und Unterschlupf vor der Polizei nutzen musste.
Mein Epilog, oder Fazit, oder …
Ich gebe zu, ich war anderes gewöhnt aus meiner Jugendzeit und bin vielleicht deshalb ungeduldig. Aber ist es nicht so, dass es Recht und Gesetz gibt in diesem Land? Und ist es nicht so, dass Polizei und Gerichte diese Gesetze umsetzen und schützen sollen, um Schaden von der Bevölkerung abzuhalten? Ist es nicht widerum die Pflicht des Staates die Polizei zu schützen und sich politisch hinter sie zu stellen? Ich meine, es sollte so sein.
Aber letztendlich bin ich nur ein alter weißer Mann, der bemüht ist genauer hinzuschauen, um zu verstehen was um ihn herum geschieht. Doch allmählich verwirrt mich was ich sehe. Ich befürchte, dass ich nicht mehr sehen möchte, was ich schon einmal in meiner Jugend sehen musste. Nicht schon wieder!
„Mit dem Altwerden ist es wie mit Auf-einem-Berg-Steigen: Je höher man steigt, desto mehr schwinden die Kräfte – aber umso weiter sieht man.“
Zitat: Ingmar Bergman