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Deutschland

Das neue deutsche Spießbürgertum im Gewand des Wokismus

Es ist eine merkwürdige Ironie der deutschen Befindlichkeit, dass ausgerechnet jene gesellschaftliche Schicht, die sich einst mit revolutionärem Gestus gegen die Spießigkeit ihrer Eltern auflehnte, heute selbst zur spießbürgerlichsten aller Klassen mutiert ist. Was wir gegenwärtig in Deutschland erleben, ist nicht weniger als die Entstehung eines neuen Bürgertums, das sich in den Gewändern der Progressivität kleidet, dabei aber alle Charakteristika jener kleingeistigen Mentalität aufweist, die es zu überwinden vorgibt. Der Wokismus, ursprünglich als emanzipatorische Bewegung gedacht, ist zum ideologischen Überbau einer neuen Spießigkeit geworden, die ihre moralische Selbstgerechtigkeit mit dem Anspruch auf gesellschaftliche Deutungshoheit verbindet. Die neue deutsche Spießbürgerlichkeit zeigt sich nicht mehr im akkurat gestutzten Vorgarten oder der pünktlichen Zahlung der Vereinsbeiträge, sondern in der obsessiven Befolgung einer komplexen Etikette der politischen Korrektheit. Wo einst die Gardine gezuckt wurde, wenn der Nachbar seinen Rasen nicht ordnungsgemäß mähte, wird heute das soziale Umfeld nach Verstößen gegen die ungeschriebenen Gesetze der Wokeness durchsucht. Der Spießbürger von gestern sorgte sich um den guten Ruf in der Nachbarschaft, der von heute um seine moralische Reputation im digitalen Raum. Die Mittel haben sich gewandelt, die Mentalität ist dieselbe geblieben. Diese neue Spießigkeit manifestiert sich zunächst in einer außerordentlichen Regelgläubigkeit. Während der traditionelle Spießbürger peinlich darauf bedacht war, die gesellschaftlichen Konventionen einzuhalten, befolgt sein wokes Pendant mit religiöser Inbrunst die Dogmen der Identitätspolitik. Jede Äußerung wird auf ihre ideologische Korrektheit überprüft, jede Geste nach ihrer symbolischen Bedeutung abgeklopft. Es herrscht ein Klima permanenter Selbstzensur, in dem die spontane Äußerung durch die kalkulierte Botschaft ersetzt wird. Man spricht nicht mehr, man… Weiterlesen »Das neue deutsche Spießbürgertum im Gewand des Wokismus

Der Drang der Deutschen zur Selbstzerstörung – Beinahe eine Liebeserklärung

Heute veröffentliche ich den Text aus meiner Vorlesung vom 20. Juli 2025. Ich möchte die „deutsche Seele“ unter mein persönliches Mikroskop legen, um festzustellen, ob wir Deutschen tatsächlich so „unheilbar deutsch“ sind. Auf den ersten und zweiten Blick: „Ja“. Dennoch sehe ich auch Hoffnung für dieses tüchtige Volk, das offensichtlich in allem tüchtig ist – in seiner Selbstzerstörung genauso wie in seiner Auferstehung. Dieser in Essayform verfasste Text befindet sich noch in der Rohfassung und wird als Einleitung zu meinem neuen Buch über deutsche Befindlichkeiten, deren Beziehung zur Macht und Politik, Wirtschaft, anderen Völkern und der Familie dienen. Mein Dank gilt all jenen, die dieser Lesung beigewohnt haben und sich dazu bereits äußerten. Für alle, die diese Lesung verpasst haben, aber dennoch Interesse an dem Text zeigten, hier ein kleiner Auszug für hoffentlich anregende Gespräche: Auszug: Es gibt Völker, die ihre Geschichte wie einen Mantel tragen, würdevoll und selbstverständlich. Und es gibt solche, die sie wie einen Mühlstein um den Hals schleppen, stöhnend unter dem Gewicht vergangener Epochen. Die Deutschen gehören zweifellos zur zweiten Kategorie, wobei sie die bemerkenswerte Eigenschaft entwickelt haben, aus diesem Mühlstein noch zusätzliche Steine zu meißeln, um sich das Leben noch schwerer zu machen. Man könnte dies als eine besondere Form der Kreativität betrachten, wäre es nicht so tragisch produktiv in seiner Destruktivität. Die vorliegende Untersuchung unternimmt den Versuch, diesem eigentümlichen Phänomen auf den Grund zu gehen, wobei der Autor sich bewusst ist, dass er damit ein Terrain betritt, das von Minenfeldern ideologischer Befindlichkeiten durchzogen ist. Doch was wäre die deutsche… Weiterlesen »Der Drang der Deutschen zur Selbstzerstörung – Beinahe eine Liebeserklärung

„Grünbuch ZMZ 4.0 – Frieden und Diplomatie keine deutsche Option?

Die Innenministerien des Bundes und der Länder haben am 30.01.2025 ein sogenanntes „Grünbuch ZMZ 4.0“ veröffentlicht und der Bevölkerung zugänglich gemacht. Es beinhaltet Maßnahmen zur Abwehr einer „verstärkten sicherheitspolitischen Bedrohung durch Russ­land„. Was sich für mich zuerst einmal wie eine normale Vorbereitung für einen Kriegs-, oder Katastrophenfall liest, beinhaltet allerdings auch einige Punkte, die sich für mich nicht als „normal“ lesen: Die Hoffnung auf einen lange währenden Frieden in Europa sind 2014 bereits ins Wanken geraten und spätestens mit dem russischen Agieren im Februar 2022 erloschen. Die aktuelle Bedrohungslage zeigt, die Friedensdividende ist nun endgültig aufgebraucht. Wir befinden uns zwar noch nicht im Krieg, aber wir befinden uns auch schon lange nicht mehr im Frieden. Wir befinden uns in einer Phase dazwischen, einer sogenannten Grauzone, charakterisiert durch einen Nebel hybrider Taktiken. Offene pluralistische und demokratische Gesellschaften bieten im Vergleich zu autoritären Staaten in der Regel mehr Angriffsflächen und sind ohne Vorhaltung entsprechender Abwehrmechanismen leicht verwundbar. Besonders und zugleich herausfordernd ist die Verschleierungstaktik. Die Täter operieren entweder anonym oder bestreiten Beteiligungen an Vorfällen und Konflikten. Putins Krieg hat uns gezeigt, dass unsere Sicherheit nicht selbstverständlich ist. Als wirtschaftlich starkes Land, mit gefestigter Demokratie und starken Partnern an unserer Seite, stellen wir uns den aktuellen Herausforderungen mit Selbstvertrauen sowie Zuversicht. Die Nationale Sicherheitsstrategie (2023) soll hierfür Grundlage und Wegweiser sein. Mit einer Politik der Integrierten Sicherheit soll Deutschland wehrhaft, resilient und nachhaltig werden. Nach meinem Verständnis ist es richtig, dass wir unsere Vertreter auch dazu wählen, dass sie uns vor feindlichen Angriffen oder möglichen Katastrophen schützen. Wenn… Weiterlesen »„Grünbuch ZMZ 4.0 – Frieden und Diplomatie keine deutsche Option?