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Wir würden nicht, wenn wir dürften

Quelle: Unsplash

Sie feiern die Auferstehung des Herrn, denn sie sind selber auferstanden.
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
aus dem Druck von Giebeln und Dächern, aus der Strassen quetschender Enge,
aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht sind sie alle ans Licht gebracht.

Zitat: Johann Wolfgang von Goethe

Seit dem „Sturm und Drang“ hat sich der Mensch aus der Umnachtung der Kirche befreit. „Aufklärung“ ist das große Wort, dafür, dass das erstarkende Bürgertum nach wissenschaftlichen Antworten für das Leben und die Welt suchte und mit dem allmächtigen „Gottgewollt“ brach. Religion wurde weitestgehend zur Privatsache. Doch auch heute noch finanziert der deutsche Staat die fetten Pfründe für zwei christliche Kirchen. Kirchenbonzen erhalten staatliche und stattliche Gehälter, gezahlt von unseren Steuergeldern, ob wir glauben wollen, oder nicht.

Jährlich zahlt der Staat rund 442 Millionen Euro für die Gehälter der Kirchendiener. Diese Summe ist vollkommen unabhängig von den Kirchensteuern, die noch einmal zusätzlich berechnet werden. Somit ist jeder Bürger, ob er die Kirchensteuer entrichtet oder nicht, an der Zahlung der Kirchengehälter beteiligt.

Quelle: Gehalt.de – zum Artikel …

Wir erregen uns, wenn ein Bischof sein eigenes Schlepperboot ins Mittelmeer entsendet. Wir erregen uns wenn eine Frau Käßmann anhand der Hautfarbe unserer Großeltern feststellt, woher der braune Wind weht. Aber wir sind der festen Überzeugung, dass wir mit diesen Institutionen etwas gemein haben. Das mag insofern stimmen, dass wir uns von ihnen befreit haben. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit aus der wir uns weitestgehend lösen konnten. Anders als die Mehrheit der Menschen aus den islamischen Regionen. Dort hat es einen gewaltigen Schritt zurück in den Glauben gegeben. Die Länder haben ihre Bewegung in Richtung Aufklärung abbrochen und weitestgehend auch rückgängig gemacht. Das mag man ihnen als aufgeklärter Europäer vorwerfen.

Mit zweierlei Maß gemessen …

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Wir bezeichnen und betrachten den Islam als mittelalterlich und rückständig. Wir erregen uns über deren Gepflogenheiten. Absolut zurecht, obwohl wir bei den christlichen Kirchen gern das eine oder andere Auge zudrücken. Was ist an den christlichen Kirchen fortschrittlicher? Noch immer klammert sich der Vatikan an seinen mittelalterlichen Prunk und Gehabe. Haben Sie jemals gehört, dass deren Kurie beschlossen hätte, Reichtümer zu verkaufen, um den Erlöß den Armen z.B. in Südamerika zu zukommen zu lassen? Nichts Schlimmeres kann einer Kirche passieren, als dass sich die Hoffnungen der Armen und Gläubigen erfüllen. Mit dem Elend und der Hoffnung von Menschen lässt sich noch immer das meißte Geld verdienen, weiß der Volksmund. Messen wir mit zweierlei Maß, nur weil uns Letzteres vertrauter ist?

Wir haben uns vom bloßen Glauben emanzipiert. wir suchen mit wenigen Ausnahmen keine Kirchen mehr auf, um zu einem Gott zu sprechen. Bestenfalls noch als Touristen, um zu staunen.

Kaum jemand kommt bei Kirchenliedern über die erste Zeile von „Ein feste Burg ist unser Herr …“ hinaus, von Matthias Claudius will ich garnicht reden. Nicht eine Stimme wurde laut als sich sogenannte „Feministinen“ daran machten seine Texte zu gendern. Welch eine Barbarei! … und ohne wirklichen Widerspruch der Kirchenoberen.

Was vom Glauben übrig blieb

Wenn in Leipzig ein Mann auftaucht, der sich für Gottes Sohn hält und Fensterscheiben einwirft, ist für die Pastorin klar, dass der Mann ein Verwirrter sein muss. Fehlt es der Pastorin Taddiken am Glauben? Möglicherweise würde ein „Gottes Sohn“ genau so handeln, angesichts der Politik, welche die evangelische Kirche aktuell betreibt. Mir stellt sich schon die Frage: Ist sie als Pastorin Denkmalpflegerin oder Glaubenspflegerin?

Zuvor habe Thomaskirchenpfarrerin Britta Taddiken selbst den Hinweis auf den 55-jährigen Verdächtigen gegeben. Dieser habe sich laut der Pfarrerin bereits am 28. Dezember 2019, als erstmals einige Scheiben eingeworfen worden seien, auffällig verhalten und sich am Freitag erneut in der Nähe der Kirche aufgehalten. Wie der Verein Thomaskirche-Bach e.V. am Montag mitteilte, habe sich der „stark verwirrte Mann“ als „Sohn Gottes“ bezeichnet.

Quelle: mdr.de – zum Artikel …

Rückwärtsgewandter Protest als Fortschritt verkauft?

Aber wenn der Verdacht besteht, dass zu Ostern die Kirchen geschlossen bleiben könnten, während zum islamischen Ramadan die Moscheen offen sein werden, dann empört sich die Volksseele. Dann fordert sie nicht die Schließung der Moscheen. Dann möchte man, dass die Kirchen ebenfalls geöffnet sind.

Wie modern wir doch sind und wie aufgeklärt wir uns doch zeigen. Die Mehrheit von uns geht bestenfalls zum Weihnachtssingen in die Kirche. Sicher sehr schön, sehr feierlich, sehr traditionell. Aber letztendlich ist das nichts als eine romantische Faszination. Mit ähnlicher Faszination würden wir einer japanischen Trommlertruppe, einem neuseeländischen Haka oder einer spanischen Flamencogruppe lauschen.

Aber wir protestieren im Namen der wenigen gläubigen Kirchgänger, der Alten und Schwachen für die Öffnung der Kirchen zu Ostern. Wie edel und selbstlos von uns modernen, aufgeklärten Meinungskämpfer.

Was unterscheidet den vielgescholtenen Gutmenschen von uns guten Menschen – nur die Schreibweise? Geht es uns doch auch nur um Moral. Dabei würden wir garnicht, wenn wir dürften, was wir wollen.

Heute will ich fröhlich, fröhlich sein,
Keine Weis’ und keine Sitte hören;
Will mich wälzen und für Freude schrein,
Und der König soll mir das nicht wehren;


Denn er kommt mit seiner Freuden Schar
Heute aus der Morgenröte Hallen,
Einen Blumenkranz um Brust und Haar
Und auf seiner Schulter Nachtigallen;


Und sein Antlitz ist ihm rot und weiß,
Und er träuft von Tau und Duft und Segen –
Ha! Mein Thyrsus sei ein Knospenreis,
Und so tauml’ ich meinem Freund entgegen.

Gedicht: Matthias Claudius