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Über Würde & mancherlei Freunde …

Quelle – Unsplash

Die Würde des Menschen ist unantastbar und sie ist auch nicht verhandelbar! Meine, von mir, viel zitierte Großmutter pflegte das in folgendem Satz zusammen zu fassen:“Was Du nicht willst, das man dir tu, das füge auch keinem anderen zu.“

Wohl alle sind sich im oben Gesagten einig, wenn es um die große Politik geht, wenn es sich um Äußerungen von echten und Möchtegern-Prominenten handelt. Aber ist dem auch immer so, im täglichen Miteinander? Erlauben wir uns nicht mitunter unserem inneren Schweinehund nachzugeben und uns selbst oder andere würdelos zu behandeln? Mir will scheinen: Dem ist so.

Vielleicht nehmen wir uns noch zurück, wenn wir einem Menschen direkt gegenüberstehen. In einer persönlichen Konfrontation oder im Gespräch vis á vis halten wir zumeist den gesellschaftlichen Kodex aufrecht. Aber in der Anonymität des Internets und der sozialen Medien schwindet diese Zurückhaltung bei Einigen rasch. Hier lassen Menschen gelegentlich Maske und Anstand fallen. Das mag diverse Gründe haben, weil der Kontext aus Gestik und Mimik fehlt, weil man anonym ist, weil man dem Anderen nie begegnen wird, weil man sich einfach sicher fühlt, oder, oder, oder… Fast Alles lässt sich mit Allem entschuldigen, glaubt man. Aber tatsächlich entschuldigen kann man solches Verhalten nicht. Oder?

Eigentlich bin ich ganz anders

Ich komm‘ nur viel zu selten dazu

Quelle – Udo Lindenberg

Ich war in meiner Kindheit das, was man gemeinhin einen Klassenkasper nennt. Ich riss Zoten, machte Späßchen und erntete den Applaus meiner Klassenkameraden. Ich ließ mir einen „Igel“ schneiden und die Mädchen streichelten meine kurzen Haare. Ich hatte „Erfolg“ und fand „Anerkennung“. Es ist schwierig sich laufend neue Streiche und Witze auszudenken. Früher oder später wiederholt man sich, wird primitiver und aggressiver in seinem Humor. Man sucht sich scheinbar Schwächere auf deren Kosten man seine Witze reißt. „Freunde“, die gern mit einem über Andere lachen, verschwinden sobald sie selbst zur Lachnummer werden. Mit der Zeit wird es einsam um den Clown.

Ich musste erkennen, dass ich für meine Klassenkameraden bestenfalls einen „Unterhaltungs“-Wert hatte und dieser sich halt abnutzte. Alles hat seine Zeit und seine Unzeit. Ich änderte mein Verhalten und wollte ernst genommen werden. Doch ich hatte meinen Platz in der Gruppe selbst festgelegt. Davon abzuweichen wurde von den meisten Klassenkameraden kaum akzeptiert. Der Ruf des miesen Spaßmachers haftete noch lange an mir.

Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust …

Quelle – Unsplash

Es mag niemanden interessieren, was ich in meiner Kindheit tat. Schließlich ist das mehr als 50 Jahre her und jeder hat seine Biografie. Aber es gibt offensichtlich Verhaltensformen, die eine immer währende Gültigkeit haben. Es gibt immer Klassenclowns, es gibt immer ein bereitwilliges Publikum welches sich die Zeit vertreiben lassen will und es gibt immer Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen davon abwenden – sei es weil sie zu Opfer wurden, sei es weil sie diese Art des Humors ablehnen.

Während der Klassenclown anfangs fröhlich und bereitwillig seinen Schabernack treibt, spürt er mit der Zeit in welcher Zwickmühle er steckt. Er wird zunehmend aggressiver und mitunter sogar bösartig. Ohne nachzudenken, wird nahezu jeder in seiner Umgebung Opfer seiner Zoten und seines fragwürdigen Humors. Die eigene Würde und die der anderen sind stets der Preis für seine Rolle in der Gruppe. Dennoch fühlt er sich dieser Rolle verpflichtet. Schließlich brachte sie ihm anfangs Anerkennung und diese Anerkennung gilt es um fast jeden Preis aufrecht zu erhalten. Eine furchtbare Spirale aus der es nur selten ein Entrinnen gibt.

Dem unbedarften Publikum kann all das gleichgültig sein. Es kann sich jederzeit eine andere Unterhaltung suchen. Es ist ein Merkmal von Freundschaft dieser Spirale Einhalt zu bieten und nicht mit anzusehen, wie ein Mensch sich selbst und anderen etwas derartiges antut.

Es ist eine Sache, wenn im Kindesalter ein Mensch seine Rolle in einer Gemeinschaft sucht und mitunter zum Gaudi der anderen in die Irre geht. Es ist aber eine andere Sache, wenn erwachsene Menschen jemanden aus ihrer Runde in diese Falle tappen lassen, um für ihren Spaß und ihre Unterhaltung zu sorgen. Was auch immer im Einzelnen die Beweggründe für sein Verhalten sein mögen, ob die Angst vor Einsamkeit, Unsicherheit im Alter, ein fehlendes Verständnis für bestimmte Situationen und Vorgänge, oder eben die Freiheit der Anonymität. Wir alle tragen unser Paket mit uns und jeder geht anders mit seinen Erfahrungen um.

Was könnte ein wenig vertrauter Mensch ihm raten? Wohl nur wenig Hilfreiches. Fürchtet sein Gegenüber doch die Position in der Gruppe zu verlieren. Womöglich folgt gar der Ausschluss und die daraus resultierende Einsamkeit, wenn er dem Publikum nicht mehr liefert was es aus seiner Sicht erwartet. Also wird er verteidigen, was er doch ablegen sollte und überschüttet Wohlmeinende mit Ablehnung und Vorwürfen.

Aber wir tragen für diejenigen Verantwortung, die uns vertraut sind. Wohl dem der dann echte Freunde hat, die ihn auf den eingeschlagenen Weg hinweisen. Die ihm zeigen, dass sie ihm um seinethalben den gebührenden Wert beimessen und ihn gelegentlich daran erinnern, dass er es ist, dem man ein Freund ist – auch ohne die Rolle, die er sich auferlegt hat.

Ein Freund ist ein Mensch, der Dich mag, obwohl er Dich kennt.

Quelle – Unbekannt

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