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Linke Ideologien und Herkunftsleugnung

Die Linken und die Herkunftsleugnung

Wer die gegenwärtige politische und kulturelle Debatte in Deutschland aufmerksam verfolgt, stößt unweigerlich auf ein eigentümliches Muster. Immer dann, wenn jemand seine Verwurzelung in einer lokalen, nationalen oder kulturellen Herkunft betont, reagieren Akteure aus dem links-woken Milieu reflexhaft mit Misstrauen, Ablehnung oder gar offener Feindseligkeit. Herkunft, verstanden als narrative Selbstverortung, wird in diesen Kreisen nicht als Ressource für Identität, sondern als Gefährdung des „progressiven“ Projekts betrachtet. Diese Haltung ist kein Zufall, sondern Teil einer Ideologie, die an der Utopie einer radikal entgrenzten Gesellschaft festhält – koste es, was es wolle.

Die zentrale Frage lautet: Warum ist es für viele Linke so unerträglich, wenn Menschen ihr kulturelles Erbe oder ihre nationale Prägung nicht nur anerkennen, sondern auch wertschätzen?

Herkunft als Verdacht

Die Ablehnung von Herkunft ist in weiten Teilen der linken Denkschulen aus einer historischen Hypothek geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt jeder Bezug auf „Volk“ oder „Nation“ als gefährlich, als latent faschistisch. Was einmal in den Abgrund führte, durfte nicht wieder auferstehen. Diese historische Wunde formte ein kollektives Trauma, das sich bis heute durchzieht.

Doch das Trauma wurde nicht aufgearbeitet, sondern tabuisiert. Statt differenziert zu fragen, wie man Zugehörigkeit positiv, plural und ohne Abwertung des Anderen leben kann, wurde der gesamte Begriff von Herkunft unter Generalverdacht gestellt. So entstand eine eigentümliche Schieflage: Wer Herkunft bejaht, riskiert sofort, als „rechts“ abgestempelt zu werden, selbst wenn seine Haltung keinerlei aggressiven Nationalismus transportiert.

Die linke Utopie der Entgrenzung

In der politischen Sprache der Woke-Bewegung ist „Herkunft“ ein Makel, weil sie Differenzen markiert. Doch die utopische Vision vieler Linker ist die der grenzenlosen Gleichheit, in der Unterschiede entweder irrelevant oder beliebig austauschbar erscheinen. Herkunft, Sprache, Religion, Tradition – all dies soll unter dem Deckmantel der „Diversität“ gleichzeitig anerkannt und doch entwertet werden.

Man feiert das Exotische, solange es dem eigenen Narrativ dient, doch verweigert die gleiche Anerkennung denjenigen, die sich auf die Traditionen der Mehrheitsgesellschaft berufen. Ein türkisches Kind darf stolz auf seine Wurzeln sein, ein deutsches Kind, das von „Heimat“ spricht, gerät hingegen sofort unter Beobachtung. Diese Asymmetrie ist kein Zufall, sondern Resultat einer politischen Strategie, die Zugehörigkeit nur dann akzeptiert, wenn sie den hegemonialen Diskurs nicht herausfordert.

Der Kampf gegen das „Rechte“ als Selbstzweck

Viele sogenannte „Kämpfer gegen Rechts“ definieren ihr gesamtes Selbstverständnis darüber, was sie bekämpfen. Ihre Identität ist die Negation des Anderen. In dieser Logik wird Herkunft zur gefährlichen Chiffre, weil sie als erster Schritt zu „rechtem Gedankengut“ gelesen wird. Dabei übersieht man, dass die völlige Abkehr von Herkunft keineswegs eine Befreiung bedeutet, sondern eine Entwurzelung.

Die obsessive Fixierung auf den Feind „Rechts“ erzeugt paradoxerweise genau das, was sie verhindern will: ein Klima, in dem jede Form von Selbstidentifikation als Provokation verstanden wird. Der Diskurs verengt sich. Statt offener Auseinandersetzung entsteht ein moralischer Belagerungszustand, in dem Herkunft nur noch im Flüsterton thematisiert werden darf.

Herkunft als anthropologische Konstante

Es lohnt sich, einen Schritt zurückzutreten. Jenseits aller Ideologien ist Herkunft eine anthropologische Grundkonstante. Menschen brauchen Geschichten, Orte und Symbole, um sich in der Welt zu verorten. Niemand lebt im luftleeren Raum. Sprache, Dialekt, Landschaften, Feste, Gerüche – sie alle prägen das Selbstverständnis.

Die Leugnung dieser Dimension ist nichts anderes als ein Angriff auf die menschliche Substanz. Eine Gesellschaft, die ihre eigenen Wurzeln verachtet, verliert die Fähigkeit, sich selbst weiterzuentwickeln. Herkunft zu negieren bedeutet, den Menschen in ein anonymes Kollektiv zu pressen, das zwar „modern“ erscheinen mag, aber innerlich leer ist.

Die paradoxe Sehnsucht nach Zugehörigkeit

Interessanterweise zeigt sich in den Milieus, die Herkunft am lautesten bekämpfen, oft ein unterschwelliger Hunger nach eben jener Zugehörigkeit. Man schafft sich Ersatzidentitäten, pflegt symbolische Rituale, sei es durch Sprachcodes, Lifestyle-Communities oder politische Kampagnen. Die Zugehörigkeit wird also nicht abgeschafft, sondern lediglich verlagert – weg von der konkreten Kultur, hin zu ideologischen Ersatzgemeinschaften.

Das erklärt, warum „woke“ Aktivisten mit fast religiöser Inbrunst auftreten: Ihr Kampf gegen Herkunft ist in Wahrheit der Versuch, eine neue Herkunft zu stiften, die nicht genealogisch, sondern ideologisch begründet ist.

Storytelling: Ein Dorf, ein Streit

Stellen wir uns ein kleines Dorf vor, irgendwo zwischen Mittelgebirge und Fluss. Die Dorfgemeinschaft feiert seit Jahrhunderten ihr Erntedankfest, mit Musik, Tracht, regionalem Essen. Ein neuer Lehrer, frisch aus der Großstadt, tritt an das Rednerpult und erklärt, man müsse diese „rückwärtsgewandte Folklore“ überwinden, weil sie „exklusiv“ und „potenziell nationalistisch“ sei.

Die Dorfbewohner schauen irritiert. Niemand von ihnen denkt beim Tanz an Ausgrenzung, niemand plant eine „völkische“ Renaissance. Sie feiern einfach ihre Herkunft, so wie andere das Zuckerfest oder Weihnachten feiern. Doch in der Logik des Lehrers ist das Fest ein Verdachtsmoment. Er bekämpft nicht das Fest an sich, sondern die Möglichkeit, dass darin ein stolzes Selbstverständnis wurzeln könnte.

Diese kleine Szene illustriert, was in größerem Maßstab in der Gesellschaft passiert. Die Herkunft wird nicht als Ressource, sondern als Bedrohung behandelt – und das entfremdet die Menschen von ihren eigenen Traditionen.

Herkunftsleugnung als Machtspiel

So wird die Debatte über Zugehörigkeit immer stärker entpolitisiert. Während andere Gruppen sehr wohl ihre Identität in den politischen Diskurs einspeisen dürfen, bleibt die Mehrheitsgesellschaft in einer Art Sprechverbot gefangen. Herkunftsleugnung ist damit ein Herrschaftsinstrument, das Kontrolle über den Diskurs ausübt.

Warum aber halten linke Akteure so verbissen an der Herkunftsleugnung fest? Die Antwort liegt auch im machtpolitischen Kalkül. Wer Herkunft delegitimiert, delegitimiert auch jene Stimmen, die auf dieser Basis Forderungen erheben könnten. Wer keine Herkunft hat, kann auch keine Ansprüche stellen.

Zwischen Erinnerung und Zukunft

Eine Gesellschaft, die ihre Herkunft verteidigt, ist keine rückwärtsgewandte Gesellschaft. Im Gegenteil: Nur wer sich seiner Herkunft bewusst ist, kann selbstbewusst in die Zukunft treten. Die wütende Abwehrhaltung der Linken gegen Herkunft ist daher nicht zukunftsorientiert, sondern eine Form der Amnesie. Und Amnesie ist keine Stärke, sondern ein Symptom von Schwäche.

Die Herausforderung besteht nicht darin, Herkunft abzuschaffen, sondern sie produktiv zu gestalten. Man kann aus ihr lernen, sie reflektieren, kritisch betrachten – aber man darf sie nicht leugnen. Wer Herkunft negiert, amputiert das Gedächtnis einer Gesellschaft.

Schluss: Der Preis der Leugnung

Die Frage, warum Linke so versessen auf Herkunftsleugnung sind, ist letztlich die Frage nach dem Verhältnis von Utopie und Wirklichkeit. Der utopische Traum einer grenzenlosen, identitätslosen Welt kollidiert mit der Realität menschlicher Bedürftigkeit nach Verortung. Anstatt diese Spannung ehrlich auszuhalten, wird sie durch moralische Kampagnen übertüncht.

Doch der Preis ist hoch: Eine Gesellschaft, die Herkunft verachtet, produziert Entwurzelte. Und Entwurzelte sind anfällig – für Radikalisierung, für ideologische Ersatzgemeinschaften, für die Sehnsucht nach autoritären Identitätsangeboten.

Vielleicht liegt gerade darin die eigentliche Ironie: Indem die Linken Herkunft bekämpfen, bereiten sie unbewusst den Boden für jene Bewegungen, die sie am meisten fürchten.